2. Februar, 19:00 Uhr, in der Kreuzkirche: Die erste Mittwochmusik in diesem Jahr!
Diesmal steht sie im Zeichen eines heute Unbekannten: Gustav Merkel. Geboren 1827, gestorben 1885, Komponist, Organist, Musikpädagoge.
Merkel hatte sein Leben nahezu vollständig in Ostdeutschland verbracht, viele Jahre in Dresden. Dort war er zunächst Organist der Waisenhauskirche, später an der Kreuzkirche, noch später Hoforganist der katholischen Hofkirche.

Kreuzkirche, Dresden (um 1900) Quelle: deutsche Wikipedia
Merkel hat ein umfangreiches Orgelwerk hinterlassen. Seine kleineren Arbeiten liegen bis heute in Sammeleditionen vor. Im Zentrum stehen allerdings neun große Orgelsonaten. Im 19. Jahrhundert waren sie vielgespielte Werke des allgemeinen Repertoires. Heute ist die erste Sonate in d-moll möglichweise am bekanntesten – nicht zuletzt aufgrund der exotischen Besetzung ihrer Erstfassung für zwei Organist/Innen an einem Instrument.
In der Februarmusik soll Merkels zweite Sonate, op. 42, erklingen. Sie steht in g-moll, umfasst vier Sätze. Die formale Struktur der Sonatenform spielt eine untergeordnete Rolle – wenn überhaupt. Der erste Satz bietet einen Rahmensatz (Maestoso), der die zunehmend virtuosere Entfaltung eines aufsteigendes Themas (Piu mosso) umrahmt, durchaus im Sinne der romantischen Konzertvirtuosität, die selbst eine Kadenz einschließt.
Der zweite, langsame Satz ist in dichter Vier- und Fünfstimmigkeit gearbeitet, für zwei Manuale mit ähnlichen Klangfarben, orchestral fast, ein Ensemble, auf die Orgel übertragen.
Merkel war ausgewiesener Kontrapunktiker. Beide Sätze leben auch von polyphonem Denken, und der letzte Satz führt die Entwicklung zu Ende: Nach einer Introduktion, die, ähnlich wie in Beethovens 9. Symphonie alle Motive der vorherigen Sätze komprimiert andeutet, folgte eine Doppelfuge. Deren erstes Thema könnte in einer strengen Chorfuge der Musica Antiqua stehen. Merkel führt es in fünf Stimmen durch.
Das zweite Thema bildet einen beinahe tänzerischen Kontrast, wirkt wie ein Motor, der den Satz in ein akkordisches Finale und eine polyphone Stretta vorantreibt.
Vielleicht lassen sich, zumindest die beiden ersten Sonaten Merkels verstehen als Versuch einer Synthese der Polyphonie Bachs und der romantisch-virtuosen Konzertliteratur. So entsteht imposante, zupackende Orgelmusik, die mit den riesigen Orgelwerks Regers und den völlig anderen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts in den Schatten gerutscht ist. Heute ist sie weitgehend vergessen. Sehr zu Unrecht.
Mittwochsmusik
2. Februar 2022, 19:00 Uhr, Kreuzkirche, Kronenweg 67, Wesseling
Gustav Merkel (1827-1885): 2. Orgelsonate in g-moll, op. 42
(Maestoso-Piu moto-Maestoso, Adagio, Introduktion und Fuge)
Orgel: Thomas Jung
(Bild: Gustav Merkel, Portraitfotographie. Quelle: deutsche Wikipedia)